Hallo allererseits.
"Plastik-Müll im Meer" war ja in der Windsurf-Szene auch schon ein paar Mal ein Thema. Hier noch ein interessanter Artikel aus der gestrigen NZZ. http://WWW.nzz.ch
Gruss, Andy
QuoteDisplay MoreTödlicher Plasticmüll
Jedes Jahr landen rund 8 Millionen Tonnen Plastic in den Ozeanen. Fachleute gehen davon aus, dass ohne Fortschritte in der Abfallbeseitigung im Jahr 2025 rund 250 Millionen Tonnen Kunststoffteilchen in den Weltmeeren treiben werden. Mit fatalen Folgen für die Meeresbewohner: Sie können sich im Plastic verfangen oder es fressen. Beides kann tödlich sein. Gefressenes Plastic kann etwa den Magen-Darm-Trakt blockieren. Die Partikel enthalten zudem oft giftige oder krebserregende Substanzen, die sich in der Nahrungskette anreichern können – mit noch ungewissen Folgen für Tier und Mensch. Forscher versuchen daher mit Hochdruck, mehr über die Herkunft, die Auswirkungen und das weitere Schicksal des Kunststoffmülls herauszufinden, um seine Folgen für die Ökosysteme besser abschätzen und möglicherweise verhindern zu können. Nun sind sie ihrem Ziel ein paar Schritte näher gekommen.
Ein Riecher für Plastic
Weshalb die Tiere den Kunststoff überhaupt fressen, ist nicht restlos geklärt. Manche Teile dürften sie schlicht mit Beutetieren verwechseln: Im Wasser treibende Plasticsäcke etwa ähneln vorbeiziehenden Quallen. Viele Tiere spüren ihr Futter aber auch mit dem Geruchssinn auf. Einige Meeresvögel zum Beispiel haben einen Riecher für Dimethylsulfid (DMS), eine schwefelhaltige Substanz, die von Algen gebildet wird – und zwar verstärkt, wenn sie absterben. Die Vögel haben es allerdings nicht auf die Algen abgesehen, sondern auf den Krill, der sich von diesen ernährt. Weiden die Kleinkrebse die Algenrasen ab, signalisiert das ausströmende DMS den Vögeln, dass Beutetiere in der Nähe sind.
Der Plasticmüll in den Ozeanen könnte für die Vögel nun aber zu einer «Geruchsfalle» werden, fürchtet Matthew Savoca von der University of California in Davis, USA. Der Forscher konnte mit seinem Team nämlich zeigen, dass die Kunststoffteilchen ebenfalls nach DMS riechen.¹ Der Duft stammt offenbar von Algen, die sich am Plastic ablagern und vertrocknen, wenn die Kunststoffpartikel aus dem Wasser auftauchen. Da auch viele Fische ihr Futter über den Geruch finden, untersuchte ein Team um Savoca in einer Folgestudie, ob diese Fische Plasticabfall im Meer mit Futter verwechseln.²
Die Forscher legten dazu mit Algen bewachsene Kunststoffteilchen in Meerwasser, so dass es deren Geruch annahm. Dann gaben sie das «aromatisierte» Wasser in ein Becken mit Sardellen. Die Fische zeigten daraufhin das gleiche Verhalten wie bei der Jagd nach Krill: Sie sammelten sich in der Nähe der Geruchsquelle und schwammen dort auf der Suche nach Nahrung ziellos umher. Weitere Studien müssen nun zeigen, ob die Sardellen ebenfalls vom DMS angelockt werden. Wenn Plastic wie Nahrung aussehe und auch so rieche, dürfte das die Verwechslungsgefahr erhöhen, erklärt der Forscher. Diese Theorie wird durch eine Metaanalyse von Arbeiten über Meeresvögel gestützt, in der Savoca zeigen konnte, dass jene Arten, die Futter am DMS erschnüffeln, deutlich häufiger Plastic fressen als solche, die ihre Beutetiere anders aufspüren. Die Erkenntnisse lieferten neue Forschungsansätze für Vorbeugemassnahmen, erklärt der Forscher. Dazu gehört etwa das Aufbringen von speziellen Antifouling-Beschichtungen, die das Anlagern von Algen und Bakterien verhindern.
Fasern aus der Waschmaschine
Eine visuelle Verwechslung mit Futter dürfte bei Kunststoffpartikeln unter fünf Millimetern Länge, dem sogenannten Mikroplastic, eher eine untergeordnete Rolle spielen. Die Teilchen werden vielmehr als «Beifang» gefressen, aufgrund ihrer geringen Grösse sogar von Kleinstlebewesen. Sie stammen aus dem Zerfall von grösseren Partikeln, gelangen aus Kosmetikartikeln wie zum Beispiel Zahnpasta oder Duschgels in das Abwasser oder werden beim Waschen von Kleidern aus Polymer-Textilien freigesetzt.
Bernd Nowack von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in St. Gallen und seine Kollegen haben allerdings kürzlich festgestellt, dass die Mikrofasern nicht beim Waschvorgang selber entstehen.³ Wassertemperatur sowie Zahl und Länge der Waschgänge hatten im Test nämlich keinen Einfluss auf die Freisetzung von Mikrofasern. Nur die Zugabe von Waschmittel erhöhte die Menge an freigesetzten Fasern im Vergleich zu «normalem» Wasser. Nowack vermutet deshalb, dass die Faserbruchstücke während der Herstellung der Faser und der Textilien entstehen und beim Waschen lediglich noch herausgespült werden. In einer Studie, die Anfang August angelaufen ist, wird diese Hypothese nun geprüft.
Transport in die Tiefsee
Was mit dem Mikroplastic geschieht, nachdem es einmal in die Meere gespült worden ist, ist kaum bekannt. Wissenschafter stellten allerdings 2014 fest, dass es auf der Meeresoberfläche erstaunlich selten ist. Sie vermuteten daher, dass die Partikel von Tieren gefressen werden und im Kot oder mit deren Kadavern in die Tiefe absinken. Einem solchen Transportweg ist Kakani Katija vom Monterey Bay Aquarium Research Institute in Moss Landing, USA, mit ihrem Team nun auf die Spur gekommen.⁴ Die Wissenschafter untersuchten dazu Bathochordaeus stygius, ein zu den sogenannten Manteltieren gehörendes Wesen. Es ist nur rund 2,5 Zentimeter gross, produziert aber ein Schleimnetz mit einem Durchmesser von bis zu einem Meter. Damit filtriert es das Wasser und frisst die im Netz hängen bleibenden Partikel. Von Zeit zu Zeit wird das Netz abgestossen und von anderen Tieren gefressen, oder es sinkt auf den Meeresboden ab.
Die Forscher haben nun beobachtet, dass B. stygius das Mikroplastic, das sich im Netz verfängt, frisst und mit den Kotkügelchen wieder ausscheidet. Auch diese werden schliesslich von anderen Tieren gefressen oder sinken auf den Meeresgrund. Katija vermutet, dass auch andere Filtrierer wie etwa Salpen zum vertikalen Transport der Kunststoffteilchen beitragen. Welchen Einfluss das Mikroplastic auf die Nahrungsnetze und die Nährstoffkreisläufe in den Weltmeeren hat, müssen nun weitere Studien zeigen.
¹ Science Advances, Online-Publikation vom 9. November 2016; ² Proc. R. Soc. B 284, Online-Publikation vom 16. August 2017; ³ Environmental Science & Technology 51, 7036–7046
Aus dem NZZ-E-Paper vom 29.09.2017