Hallo!
Meine Boards sind mittlerweile 9 Jahre alt, die Weiterentwicklung in der Zeit hat mich noch nicht so überzeugt, dass ich mir da etwas neues anschaffen möchte, zumal das Material bei einem Urlaubssurfer mit 10-15 Tagen pro Jahr auf dem Wasser praktisch keinen Verschleiß zeigt. Es gibt sicher interessante Innovationen wie z. B. das Magic Ride und vergleichbare Boards anderer Marken, die das Halse lernen vielleicht einfacher machen - wenn man aus dem Stadium heraus ist, hat sich nach meinen Eindrücken an den (Freeride-/FSW-)Angeboten jedoch nicht so viel verändert. Die einzigen Gründe für mich, über neue Boards nachzudenken, sind a) Gewichtszunahme des Surfers, b) veränderte Interessen (früher eher Richtung Freestyle/Wave, heute eher Richtung Freerace) und c) der Nachwuchs, den ich für den Sport begeistern möchte. Gerade für kleinere Kinder finde ich die Innovationen der letzten Jahre mit aufblasbaren Boards und Riggs richtig gut. Wenn ich da an meine eigenen Anfänge vor 30 Jahren denke mit von der Oma umgenähten bleischweren Segeln, ist es da heute zum Glück wesentlich einfacher.
Was die Segel angeht, habe ich meine eigenen vor 2 Jahren getauscht nach ca. 7-8 Jahren Nutzungsdauer. Wenn ich meine Segel tausche, tausche ich die Masten immer gleich mit - gerade bei NP ist das - wie in anderen Themen ausführlich beschrieben - sicher nicht nachteilig. Meine persönliche Erfahrung ist hier, dass sich an den Wavesegeln zwischen 4 und 5,5 m2 so gut wie nichts getan hat - die waren früher schon gut und sind es auch heute noch. Bei den größeren Segeln im Bereich 6 - 7,5 ist der Unterschied allerdings spürbar (ich spreche ausschließlich von camberlosen Freemove-/Freeridesegeln, da ich mit anderem Material keine Erfahrung habe). Noch vor 10 Jahren galt für mich der Grundsatz, dass alles über 6 m2 unkomfortabel wird wegen fehlender Druckpunktstabilität und zu hohem Gewicht. Mein damals größtes Segel, ein 6,5er Sailloft Cross, bin ich nur ungern gefahren, und dann auch nur im absoluten Flachwasser. An Manöver jenseits von Halse und Wende war nicht zu denken. Heute liegt selbst ein 7,2er leicht und stabil in den Händen, und auch Duck Jibes und Heli Wenden sind damit möglich. Sicherlich spielt dabei auch der eigene Könnenszuwachs eine Rolle, allerdings ist der Ü35 bei gleichbleibend wenigen Surftagen pro Jahr zunehmend vernachlässigbar. Dadurch ist es mir heute möglich, größere Segel mit großem Spaß über einen langen Zeitraum ohne Ermüdung zu fahren, wodurch sich das Windfenster natürlich nach unten vergrößert hat. Vor ein paar Jahren bin ich als Binnenländer bei Vorhersagen unter 15 Knoten nicht losgefahren, heute sind auch 12-14 Knoten surfbar. Das macht für mich einen riesigen Unterschied aus. Selbst der Aufstieg in die "8 m2-Freerace-Liga" erscheint mittlerweile verlockend.
Was die Krise angeht, konnte man in den letzten 10 Jahren schon feststellen, dass man inzwischen mit knapp 40 Jahren an vielen Spots schon zu den jüngeren Surfern gehört. Hohe Investitionskosten, platzraubende Unterbringung und schwierige Transportbedingungen spielen für viele sicher eine große Rolle. Der Zuwachs an Trend-/Funsportarten in Konkurrenz zum Windsurfen macht es nicht einfacher, gerade für nachwachsende Generationen wirken die Materialschlacht und die relativ flache Lernkurve abschreckend, sodass sie sich lieber anderen Sportarten zuwenden. Surfen lernt man eben nicht innerhalb von 3 Tagen, und der Sprung vom Stehsegeln zum richtigen Windsurfen ist noch immer recht groß. Und kaum jemand bucht 2 Wochen an den einschlägig bekannten windsicheren Spots, wenn er noch gar nicht surfen kann. Diese 2 Wochen braucht es meines Erachtens aber mindestens, um überhaupt eine Ahnung zu bekommen, wie sich windsurfen anfühlen kann, wenn man das Stadium des Stehsegelns erstmal hinter sich lässt.
Zudem hat sich meiner Meinung nach gerade der Typ des Hobbysurfers in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. In meiner Kindheit/Jugend wurde jedes freie Wochenende genutzt, um an den Baggersee zu fahren, und auch im Familienurlaub am Mittelmeer an Orten ohne jegliche Windgarantie ist man selbstverständlich an jedem Tag aufs Wasser gegangen, egal ob es 1 oder 6 Windstärken hatte. Mit zunehmendem Können wurden dann die Surftage immer weniger, das mittlerweile angepasste Material war unter 4 Beaufort nicht mehr zu gebrauchen, und die eigenen Ansprüche an die Surfbedingungen waren gewachsen. Dass das nicht nur mir so ging, sieht man daran, dass früher auch an windarmen Küstenspots jeden Tag Segel in zweistelliger Zahl auf dem Wasser zu sehen waren, heute sieht man praktisch gar keine Leichtwindsurfer mehr, obwohl fast jeder die berühmte Naish-Aussage zitieren kann, wonach man aufs Wasser muss, um ein guter Surfer zu werden. Und selbst an guten Tagen bzw. an typischen Surfspots ist die Zahl an Surfern an Land (in typischer Pose mit verschränkten Armen über dem Trapezhaken und über die richtige Materialwahl debattierend) oft höher als die auf dem Wasser. Da stellt sich dann die Frage, ob sich das Material zu sehr spezialisiert hat oder doch eher der Nutzer des Materials, der prinzipiell das falsche Material am Start zu haben scheint.
Für den Einstieg in den Sport ist die Entwicklung der aufblasbaren Komponenten meiner Meinung nach Gold wert. Persönlich hätte ich sicher keinen "Schwerttanker" angeschafft, den ich zusätzlich zu meinem Material für meine Kinder mit in den Urlaub transportiert hätte. Die Entscheidung für ein aufblasbares Wind-SUP fiel mir dagegen relativ leicht, darauf können Kinder Gleichgewichtsübungen machen, sobald sie schwimmen können - das sicher bald folgende aufblasbare Rigg macht den Einstieg in das Windsurfen selbst für 5-jährige schon möglich. Da beides relativ einfach/platzsparend zu lagern und zu transportieren ist, ist diese Entwicklung ein Schritt in die richtige Richtung, um den Nachwuchs nicht ganz zu verlieren. Diese Innovation kommt zwar den hier in der Mehrzahl vertretenen fortgeschrittenen Surfern nicht zugute, ist für den Sport selbst aber vermutlich überlebensnotwendig. Und ganz nebenbei komme ich auch wieder auf mehr Surftage, auch wenn ich dann "nur" mit meiner Tochter auf dem Bug von A nach B fahre oder zwischendurch neue Manöver übe.
Dieses Phänomen erkennt man übrigens auch bei anderen Funsportarten: als Snowboarder beispielsweise konnte man lange Zeit beobachten, dass die Industrie den Kinder-/Jugendbereich links liegen ließ, solange der Sport noch in der (steilen) Wachstumsphase war und es allen, die damit ihr Geld verdienten, gut ging. Wer als Kind/Jugendlicher mit dem Sport anfangen wollte, musste sich mit etwas kleinerem Erwachsenenmaterial begnügen und erstmal quälen - analog zum Windsurfen in den 80er Jahren. Erst als es für die Industrie enger wurde, hat man diesen Bereich bearbeitet, und versucht seitdem, die inzwischen wieder zum Skifahren zurückgekehrten Kinder/Jugendlichen zurückzugewinnen. Zur Erklärung: in den 90ern gab es Prophezeiungen, wonach das Snowboard sogar die Ski als Wintersportgerät Nr. 1 ablösen könne - davon ist man mittlerweile wieder Lichtjahre entfernt. Ähnliche Probleme sehe ich da heute bei den Kitesurfern, wo ein Einstieg unter 10-12 Jahren zumindest für meine Begriffe nahezu unmöglich erscheint. Wenn die Windsurfer daher jetzt die 5-6-jährigen "abholen", könnte sich die Entwicklung in einigen Jahren durchaus wieder umkehren.
Beste Grüße
Wulf