Moin Jungs!
Geiles Thema, Totti! Du weißt ja, wie ich dazu stehe ?
Als Privatmann sprecht ihr mir eigentlich alle aus der Seele, als Magazinmann ist das aber nicht ganz so einfach. Also falls Euch die Meinung eines Betroffenen interessiert:
Ich sehe das gesamte Test-Thema mit einem lachenden und einem weinenden Auge.
Auf der einen Seite finde ich es super geil, das gesamte Material fahren zu dürfen und dass ich das Privileg habe, mir über alles einen Eindruck verschaffen zu können. Gerade der Slalomtest für die letzte Ausgabe hat mich super angeschockt. Ich bin sowieso gerade im Speedwahn! Es gibt bestimmt auch was Schlimmeres, als mit fünf Freunden zusammen auf Teneriffa Wave-Stuff zu zerlegen und abends beim Bierchen darüber zu quatschen. Und für die nächste Ausgabe haben wir ja einen Vergleichstest im Mag, bei dem wir die Billigbauweise gegen die teure Bauweise eines Herstellers in der 145 Liter Freerideklasse getestet haben. Also sowas wie einen Fanatic Shark LTD gegen die HRS Version. Finde ich auch megaspannend, ich wollte schon immer mal wissen, ob sich nun ein bis zwei Kilo Gewichtsunterschied tatsächlich auf die Fahreigenschaften auswirken oder nicht. Außerdem haben wir das gleich noch mit einem Test der ?Frühgleitsegel? kombiniert und auch da kann ich nun sagen, ob der Trend in meinen Augen Schwachsinn oder super ist.
Das sind also die positiven Seiten, wenn du als Magazinmacher auch testest. Du darfst alles fahren und kannst immer mitreden. Kein Brand kann dir irgendeinen Käse erzählen, denn im besten Falle bist du all ihre Produkte gefahren. Und wenn jemand anderer Meinung ist als ich, dann biete ich jedem überall jederzeit an, mit mir aufs Wasser zu gehen und mich vom Gegenteil zu überzeugen. Wollen dann aber immer nur die wenigsten ?
Die Kehrseite der Medaille ist, dass du immer höllisch aufpassen musst, was du schreibst. Und wie du es schreibst. Man kann es nicht immer jedem recht machen und jeder Produktmanager ist davon überzeugt, dass sein Brett oder Segel das Beste auf dem Markt ist. Dazu gleich mehr. Denn es gibt noch ein ganz anderes Problem für uns: Rein physikalisch ist es unmöglich, in einer Brett- oder Segelgruppe alles zu testen, was es auf dem Markt gibt. Ich habe jetzt schon extra einen großen Anhänger gekauft, damit wir immer alles zum Strand bekommen. In Kombination mit meinem nicht gerade kleinen Surfmobil bekomme ich aber einfach nicht mehr als 10 bis 12 Boards und die gleiche Anzahl an Segeln, Masten, Gabeln, Verlängerungen mit an den Strand. Und wenn man ehrlich ist, kann man auch nicht seriös mehr als zehn Produkte gegeneinander am Tag mit zwei oder drei Personen durchtesten.
Da bin ich dann nun aber die Antwort schuldig, wie wir Testmaterial aussuchen ? ich weiß. Das ist ganz einfach. Manche europäische Magazine berufen sich auf Markterhebungen und auf das, was flächendeckend in ihren Ländern verfügbar ist. Ich habe auch schon die Argumentation gehört, dass ein seriöser Vertrieb von Vorteil ist ? Das kann man so argumentieren. Blöder Weise beißt sich da der Fuchs in den Schwanz. Denn ohne Präsenz in dem Magazin(-Test), keine Präsenz im Markt/ Shop/ Endverbraucher. Und da jeder weiß, dass die ?Großen? auch die großen Anzeigenkunden sind, ist es eigentlich egal, welche der beiden Argumentationen man nutzt(Marktpräsenz oder Anzeigenkunde), es kommt sowieso aufs Gleiche raus ?
Für das Windsurfing Jahrbuch/ Journal ist das zumindest einen Tick anders. Wir können uns sicherlich nicht den Marktgegebenheiten entziehen. Wenn ein großer Anzeigenkunde in den Test will, dann kommt er das auch (wie gesagt: das kann man so offen sagen, oder man beruft sich auf ?Marktpräsenz?). Davon ganz unabhängig testen wir aber auch das, wozu wir Lust haben. Und ehrlich gesagt das, was ich selber unbedingt mal fahren will! Wir haben nun zum Beispiel auch einenT1 RS 67 getestet, nur, weil ich unbedingt wissen wollte, wie Björns Boards dieses Jahr fahren. Wir haben noch einen F2 SX L nachgetestet, weil ich endlich mal wissen wollte, ob Bernd nur wegen den Boards allen anderen deutschen Fahrern um die Ohren jagt. Diese Liste könnte ich endlos weiterlaufen lassen. Blöder Weise drücke ich da also einfach den Lesern auch meinen persönlichen Geschmack auf. Und es gibt einfach Produkte, die reizen einen total und die willst du unbedingt ausprobieren und dann gibt es welche, die findest du langweilig und dann ?vergisst? man die auch schon mal. Noch ein Beispiel: Das von den Details und Features extremste Slalomboard ist in meinen Augen gerade das RRD X-Fire. Wenn das am Strand liegt, dann sieht das einfach so crazy aus, dass du das unbedingt fahren willst! Geht mir jedenfalls so (ach so: RRD hat in acht Jahren in keinem unserer Magazine Anzeigen geschaltet ).
Würde der Endverbraucher endlich mal aufhören, den Magazintests blind zu vertrauen, könnten wir diese ganze Geschichte von mir aus auch sofort einstellen! Denn neben den positiven Seiten macht das tatsächlich auch eine Mörderarbeit und ist nicht gerade eine dankbare Geschichte. Nur raus lassen geht auch nicht so einfach, dann macht nämlich keiner mehr bei dir Anzeigen und beruft sich darauf, dass er kein Marketingbudget von den anderen Mags abziehen kann, weil die ihm sonst einen schlechten Test geben. Diese Argumentation höre ich mir seit sieben Jahren bei unserem Free-Magazin an, also brauch mir da keiner erzählen, das eine hätte mit dem anderen nichts zu tun.
Die Firmen wollen also Tests, allerdings nicht immer die Wahrheit. Ich habe genau ein Mal ohne durch die Blume zu sülzen einen Testbericht so geschrieben, wie es meiner persönlichen Meinung nach auch tatsächlich gerechtfertigt war. Die Konsequenz waren zwei wütende Shops, die mich anriefen und nie wieder eines unserer Magazine auslegen wollten (dazu muss man sagen, dass die finanziell nicht ganz unabhängig von dem Vertrieb des Produkts waren ?) , irritierte Endverbraucher, die ihr gerade erworbenes Produkt wieder umtauschen wollten und leicht panisch bei uns in der Redaktion anriefen um mich zu fragen, was sie tun sollen und ein Hersteller , der bis heute keine einzige Anzeige mehr bei uns schaltet. Betrachtet man ein Windsurfmagazin also nicht als Hobby, sondern als Profit-Center, kann man sich schneller ins eigene Fleisch schneiden, als einem lieb ist.
Da für mich aber Windsurfen mein größtes Hobby ist, kann ich Euch versprechen, dass wir da einfach mal in Zukunft noch mehr Gas geben werden. Im nächsten Mag habe ich wieder einen ganz witzigen Segeltestbericht, der geht in die gleiche Richtung wie bei dem vor 1,5 Jahren? Das Ding war nur einfach ähnlich schlecht und mal schauen, ob das Geschrei dann wieder so groß ist und der Kunde seine Anzeigen storniert. Ich werde mir zukünftig öfter den Luxus gönnen, die unverblümte Wahrheit (zumindest meiner Meinung nach) zu schreiben, denn wir sind in der glücklichen Situation, dass das Windsurfing Journal mein Hobby ist. Geht auch gar nicht anders.
Da ich schon wieder viel zu viel geschrieben habe, vielleicht noch ein Satz zu unterschiedlichen Testergebnissen in unterschiedlichen Magazinen: Ich bin mittlerweile mit sehr vielen Kollegen weltweit gut befreundet, unter anderen auch mit Arnaud vom Planch Mag aus Frankreich. Und wie die Franzosen nun mal so sind, ist das Diskutieren mit denen nicht gerade leicht. Persönliche Vorlieben, verschiedene Marktgegebenheiten und auch unterschiedlich hohes Fahrkönnen sorgen automatisch für unterschiedliche Bewertungen. Manche argumentieren auch noch mit unterschiedlichen Gewichten, die von Bedeutung wären, was bei allen Boards mit mehr als 85 Litern totaler Schwachsinn ist, genügend Fahrkönnen voraus gesetzt. Denn es geht ja um den Vergleich der Boards und da ist es dann egal, ob man sich als 80 oder 100 Kilo Mann auf die Bretter stellt. Denn IM VERGLEICH wird das eine besser angleiten als das andere, wird besser oder schlechter carven und schneller oder langsamer sein. Gewicht spielt nur dann bei Vergleichsfahrten eine Rolle, wenn das Fahrkönnen nicht ausreichend ist.
Das war mein Wort zum Sonntag. Sorry für die Länge, aber wenn man erst einmal im Schreibfluss ist, kann man so schwer wieder aufhören. Ich könnte noch viel mehr dazu sagen, aber will euch nicht weiter nerven.
Vielleicht werde ich einfach Co-Autor von Tottis ?Die Wahrheit über die Windsurfindustrie?-Buch. Das wird ein Bestseller
Gute Nacht
Alexander