Hallo zusammen,
ein Motto unserer Themenkonferenzen ist "Wenn ein Thema bei uns schon kontrovers diskutiert wird, dann ist es auch ein gutes Thema!"
Dazu passt dieser Thread ja prima
Ich möchte dazu ein paar Infos beisteuern aus jahrelanger praktischer Messarbeit:
1. Volumen messen ist erstens nicht ganz einfach und bedeutet zusätzlichen Aufwand, den sich manche sparen möchten. Außerdem passt es nicht immer so ins Marketingkonzept, wenn die Palette nicht wie gewünscht, zum Beispiel 111, 122, 133 Liter hat. Hört sich aber im Prospekt gut an. Es wurden auch in der Vergangenheit Prospekte gedruckt, bevor alle Boards fertig waren. Dass dann das Volumen wirklich passt, wäre Zufall. Ich stimme voll zu, dass ein paar Liter mehr oder weniger bei großen Boards nichts ausmachen, bei Boards nahe der Auftriebsgrenze können 5 Liter mehr oder weniger schon wichtig sein. Wir sehen unsere Messungen außerdem als Ansporn für die Industrie, bei den Angaben möglichst genau zu sein.
Deshalb messen wir auch die Länge und Breite nach und haben da schon manche Überraschung erlebt. Die Verlockung scheint groß, die Angaben auch mal etwas an den Trend (kürzer, breiter) anzupassen. Und wenn wir - wie geschehen, ein mit 54 cm angegebenes 75-Liter-Waveboard mit 55,5 cm messen, wirkt das schon weniger radikal und schreckt vielleicht nicht so viele vom Kauf ab. In dem Fall ist es sogar gut für den Hersteller gelaufen. Insgesamt stimmen die Angaben aber beinahe immer sehr genau. Wir werden dennoch weiter eigene Messungen machen, einfach weil es Leser gibt, die vergleichbare Werte haben möchten. Und bei der simplen Längenmessungen messen zum Beispiel nicht alle Hersteller gleich (Was ist zum Beispiel bei einem Spocktail? Misst man das mit oder nicht?). Wir messen aber schon gleich und kommen daher zu vergleichbaren Werten..
Auch bei Segelgewichten hatten wir schon Diskussionen, weil es manchen nicht ins Konzept passt, dass ihre Segel auf der Waage schwerer sind als andere. Wir werden auch das weiter messen und veröffentlichen. Dass diese Werte nicht auf das Fahrgefühl übertragbar sind, wissen wir und kommunizieren das auch so.
Dafür haben wir ja die Fahreindrücke. Und das ist das Wichtigste überhaupt, ganz klar! Aber es ist doch interessant, wenn das kippeligste Board auch das kleinste vom Volumen ist, oder? Noch interessanter finde ich aber zum Beispiel, wenn ein kippeliges, radikales Board sich als besonders voluminös erweist. Das führt dazu, sich wirklich mal mit Volumenverteilungen, Deckshapes etc. auseinander zu setzen. Ist doch spannend, was die Shaper da so machen. Solche Dinge als überflüssig abzutun - ich denke, da unterschätzt man das Interesse der Leser und deren Fachkenntnisse und Fahrkönnen gewaltig.
Wir messen bei allen Testboards die Gewichte nach, vergleichen mit den Herstellerangaben, auch um zu sehen, ob die Testboards "extra-leicht" sind.
2. Mastkurven: Hier geht es ja nicht darum, mehr Geld auszugeben. Das wird hier teilweise gemixt, habe ich das Gefühl. Es geht vielmehr darum, für das gleiche Geld einfach einen passenden Mast zu kaufen. Und dass ein 50-Prozent-Mast mit der richtigen Biegekurve besser ist als ein falscher 100er, spart nicht nur Geld, sondern sorgt für mehr Fahrspaß, Fahrleistung und Einsatzbereich, ohne einen Cent mehr dafür zahlen zu müssen. Natürlich kann man mit jedem Mast in jedem Segel surfen und wahrscheinlich auch damit Weltmeister werden (außer im Racing!) Wenn ich aber die Wahl habe, fürs gleiche Geld den passenden Mast zu kaufen und die nötige Information geliefert wird - wem schadet das?
Wir haben im letzten Jahr Masten vieler Marken vermessen, anhand dessen kann sich jeder, der sich dafür interessiert, einen guten Überblick verschaffen und mit guter Wahrscheinlichkeit einen passenden Mast finden. Natürlich gibt es Fertigungstoleranzen. Die gibt es überall und nicht jedes 130-PS-Auto hat die auch wirklich. Das ist dann einfach persönliches Pech. Daran können wir nichts ändern, es sein denn, man wäre größenwahnsinnig und meint, ein Magazin könnte die Qualitätskontrolle bei Cobra oder einem Masthersteller beeinflussen.
Wenn man aber etwas dafür tun kann, dass man zumindest nicht absehbar mit Sicherheit den falschen Mast kauft, dann sollte man das auch tun.
Ich bin der Meinung mindestens 95 Prozent aller Surfer haben den richtigen Mast verdient! Und nicht nur fünf.
Spaß und Faszination beim windsurfen sind das wichtigste, da sind sich da eh alle einig - ich verstehe nur nicht, wo das Problem ist, wenn dabei das Material auch noch möglichst gut funktioniert. "Weniger Spaß durch zu gutes Material" - das wäre mir neu!
Denn wer weiß, wie ein Gun-Mast in einem Prydesegel fährt, oder ein Pryde-Mast in einem Gaastra-Segel, der weiß auch, dass man auf den passenden Mast achten sollte. Und der muss nicht teurer sein. Wer ein hochwertiges Segel kauft, tut das ja nicht nur wegen der Farbe, sondern auch, weil ihm vom Hersteller besondere Fahreigenschaften versprochen werden. Und davon geht mit dem komplett falschen Mast leider ein Teil verloren.
Wer aus Marketing-Sicht denkt, wird natürlich alles daran setzen, überprüfende Test oder Messungen, egal welcher Art zu verhindern. Wäre ja blöd, wenn die schönen Versprechungen nicht stimmen. Außerdem kann man Segel natürlich leichter verkaufen, wenn sie "auf jeden Mast passen". Das gleiche gilt umgekehrt für Masten. Wenn jemand einen NeilPryde-Mast besitzt kann ich ihm - wenn er sich auskennt - nur schwer ein Segel für Constant-Curve-Masten verkaufen.
Ein Leser-Magazin wird dagegen versuchen, Marketing-Aussagen zu hinterfragen. Und wer unseren Masttest gelesen hat, wird sicher festellen, dass wir den 100-Prozent-Hype der Hersteller sehr stark relativieren. Das passt sicher nicht jedem Verkäufer - aber wie bei uns im Test herausgekommen, würde ich auch für mich persönlich keinen 100-Prozent-Mast für ein 8,0er Freeracesegel kaufen. Vor allem, wenn man berücksichtigt, dass auch das Bruchrisiko nach unserer bisherigen Testerfahrung beim Sprung von 70 oder 80 auf einhundert Prozent spürbar steigt. Der Hunderter ist vielleicht noch einen Tick spritziger, aber das wäre bei meiner privaten Kosten-Nutzen-Rechnung zu wenig. Wem die Preisdifferenz weniger groß erscheint (ist ja eine relative Sache ), der entscheidet da vielleicht anders...
So, das wars in Kürze vom Wave-, Freemove, Freerace- und Slalom-Test in Langebaan.
Da gibt es übrigens bei den Slalomboards Bretter, bei denen ich schon auf das Volumen gespannt bin. Weil man darauf beim Wenden absäuft und auf allen anderen nicht.
Wir surfen hier übrigens mehr als wir messen Machen aber dennoch beides. So können wir die windlosen Tage sinnvoll nutzen für alle Leser, die sich dafür interessieren.
Seht die Messungen doch einfach als Extra-Service. Und wen es nicht interessiert - der liest einfach nur die Texte und gut ist.
Viele Grüße,
Stephan
surf Magazin