Schön, dass in dem Thread auch ein paar gute Vorschläge und schon praktizierte gute Beispiele genannt werden. Was aber überwiegt, ist der Pessimismus. Obama (yes we can) würde bei uns Windsurfern auf Granit beißen.
Was ich hier oft lese, ist genau das, was auch die „Branche“ behauptet: Geht nicht, ist zu kompliziert, die anderen sind Schuld, wir können ja nichts machen …
1. Windsurfen ist zu teuer
Jein. Das, was uns die Hersteller zurzeit größtenteils verkaufen (wollen), ist für Einsteiger und Gelegenheitssurfer zu teuer. Aber: Es gibt auch preiswerteres Material, wirkliche Spitzenqualität, hervorragend geeignet für über 70 % aller Windsurfer. Aber das wird in die „Bäh“-Ecke gestellt. Von den Herstellern, den Händlern, von uns Windsurfern selbst. Lösung: Preiswertes Material in den Mittelpunkt stellen! Ich weiß, es ist zwar nur ein ganz ganz kleiner Schritt zur Fokussierung auf günstiges Material, aber wir haben im Testjahrbuch z. B. die vorgestellten Produkte nach Listenpreis sortiert und nicht nach Alphabet. Wäre schön, wenn schon viele Leute gleich vorne in jeder Kategorie hängen blieben.
2. Windsurfen ist zu wetterabhängig
Ja! Gott sei Dank! Wenn bei uns die Gelegenheitssurfer aufs Wasser gehen (Juni bis August), ist meist schönes Wetter. Ist es nicht toll, mit (wenig) Wind und Wasser zu spielen anstatt vor dem PC zu sitzen? Und wenns regnet? Sitzt man zusammen bei Kaffee/Bier und fachsimpelt. Was machen Wanderer, Tennisspieler, Hobby-Fußballer, Drachenflieger, Biker, Skifahrer bei Regen? Überraschung: Sie sitzen zusammen bei Kaffee/Bier und fachsimpeln ...
3. Windsurfen ist zu windabhängig
Nein. Wir haben uns nur das falsche Material und die ausschließlich für dieses Material passende innere Einstellung verkaufen lassen. Old-School-Tricksurfen geht bei 2 Bft, und wem das zu langweilig ist, versucht das Gleiche mal auf einem 90 Liter-Board ... Wer lieber Seemeilen zurücklegen will, nimmt sich ein Dickschiff (gern auch ein älteres, das fährt bei 2 Bft. besser als die meisten neueren) und dümpelt damit genauso schnell wie ein Kajüt-, Tret- oder Elektroboot übern See, kann abends aber im Gegensatz zu den Bootskapitänen sagen: Ich hab was für mich getan. Und wenn mal wirklich gar kein Wind weht? Dann tun wir einfach so, als ob es regnet, und schon wissen wir, was zu tun ist (s. o.).
4. Windsurfen ist schwer zu lernen
Nein. Das (einfache) Hin- und Herfahren mit Trippel-Wende bei wenig Wind geht – ein gewisses Gleichgewichtsgefühl vorausgesetzt – nach einem Tag und ist damit genauso leicht zu lernen wie (leichtes, einfaches) Mountainbiken. Skifahren (einfache Schwünge) und Tennis (einfache Ballwechsel) sind deutlich komplizierter und anspruchsvoller für das Koordinationsvermögen. Trotzdem gibt es mehr Tennisspieler und Skifahrer als Windsurfer. Wer mehr als nur „einfache“ Sachen machen will, muss – wie in jeder Sportart – Schweiß und Mühe und Zeit investieren und wird mit tollen Erfolgserlebnissen dafür belohnt. Übrigens: Ich weiß, wovon ich rede. Ich habe aus allen vier Sportarten Lehrerfahrung. Und ich rede davon, den Sport unter qualifizierter Anleitung mit anfängergeeigneter Ausrüstung zu lernen. Alles andere ist Dummheit – und zwar in jeder Sportart.
5. Windsurfen ist zu aufwendig
Nein. Was machen Wanderer, Bergsteiger, Segler, Skifahrer … Sie steigen ins Auto und müssen irgendwohin fahren. Wir auch. Ruft da einer: Wir brauchen aber viel Ausrüstung? Was brauchen Taucher, Drachenflieger, Wildwasserfahrer und und und …? Genau!
6. Windsurfmaterial ist sperrig und kompliziert
Jein. Mountainbikes, Rennräder und Kanus werden auch meist auf dem Dach transportiert. Okay, wir können nicht mehr das Segel einfach um den Mast wickeln wie früher. Dafür haben wir keinen Stopperstek mehr und Bretter, stabil wie Bohrinseln anstatt Schwebebalken. Es gibt sehr kompliziertes, sensibles Windsurfmaterial. Es gibt aber auch einfaches, robustes Material, aber das wird in die „Bäh“-Ecke gestellt. Von den Herstellern, den Händlern, von uns Windsurfern selbst. Lösung: Einfaches Material in den Mittelpunkt stellen! Hört sich so wie oben Punkt 1 an? Jau, soll es auch!
7. Windsurfen wird als Extremsport verkauft
Ja. Na und? Das, was uns auf Fotos, in Reportagen oder Titelbildern von Felix Neureuther und Maria Riesch, von Freeskiern, von Roger Federer, von Michael Ballack oder den Extrem-Bikern dauernd gezeigt wird, hat auch nichts, aber wirklich überhaupt nichts mit dem zu tun, was ein Hobby- oder Vereinssportler am Wochenende in genau der gleichen Sportart treibt. Aber sind die Fotos nicht trotzdem eine Augenweide? Eins ist richtig: Die Belange der Hobbysportler werden in vielen Special-Interest-Sportzeitschriften besser bedient als bei uns im Windsurfen. Wir haben im WJ ein paar mal das Thema „Longboarding“ aufgegriffen. Okay, sowas könnte öfter kommen … Und ein Titelbild mit einem Dreikäsehoch, der auf seinem Board einfach nur strahlt, fände ich auch nicht schlecht …
8. Familie muss mitspielen
Genau! Ist doch super! Da hat man doch wieder mal ein Thema – so oder so. Und habt ihr schon mal nachgerechnet, was ein Skiwochenende für eine vierköpfige Familie kostet? Oder die Tennisklubfamilienmitgliedschaft in einer Großstadt? Oder ein Familienwochenende im Erlebnispark? Da ist der Surfausflug doch ein Angebot!
9. Zu wenig Öffentlichkeitsarbeit, PR, Lobbyismus, TV-Time fürs Windsurfen
Genau! Aber da kann man nicht drauf zu warten. Hoch den Arsch! Jeder an seinem Platz! Nicht immer: „Die Anderen“ sollen mal …Wir z. B. reißen uns den Hintern auf, um Euch ein interessantes, lebendiges Mag abzuliefern. Und ihr? Gibt’s in eurem Bekannten- und Kollegenkreis etwa noch einen, der noch nicht weiß, was Windsurfen für ein toller Sport ist? Oder lamentiert ihr da genauso rum wie hier im Forum?
10. Das Verhalten mancher Windsurfer ist abschreckend
Jawohl! Lokalismus, Egoismus, Protzerei, Rücksichtslosigkeit … wie im richtigen Leben. Auch hier: Arsch hoch. Etwas Zivilcourage, selber ein gutes Vorbild sein, zusammenhalten und gegenseitige Unterstützung unter den „Gemäßigten“ – irgendwie werden wir diese Plagegeister, die sich selber leider so cool finden und uns allen schaden, schon los!
Was bleibt? Nicht jeder ist geeignet fürs Windsurfen (Gleichgewichtsgefühl oder andere körperliche oder seelische Einschränkungen), es gibt ein paar unverbesserliche Couch-Potatoes, es gibt die Ich-will-nur-totale-Action-Fraktion, die gelegentliches Schwachwindsurfen nicht ab kann, und nicht jeder hat Lagerplatz für seinen Stuff. Okay. Bleiben übrig in Deutschland – lasst mich kurz rechnen – äh, (ich bin immer noch am rechnen) … Mensch, das sind ja ganz viele …