Triage schon in Umsetzung 22.03.2021 von Wolfgang Hagen vom Krankenhaus Wien Hietzing auf Twitter
Und dann kam, was kommen musste: Der Zustand eines weiteren Covid-Patienten verschlechterte sich rasant und stellte den Arzt vor eine schwierige Entscheidung - das letzte Notfallbett „opfern und dann ,zu‘ sein“ oder für eine jüngere Person ohne Vorerkrankungen freihalten, die größere Überlebenschancen hätte. Eine Vorgangsweise, die als Triage bezeichnet wird.
Schlechter Zustand wegen „Grippe“
Hagen entschied sich, den Patienten nicht in die Intensivstation zu verlegen. Der betroffene Patient wird stattdessen in das letzte Bett der Lungenfachabteilung überstellt. Der Mann äußerte zuvor seine Angst vor einem „Ersticken“, seine weinende Tochter wollte nicht verstehen, warum es dem Vater „wegen ,Grippe‘“ so schlecht gehe. „Wir tun alles für Sie“, habe Hagen geantwortet, wissend, dass das nicht ganz den Tatsachen entspricht. „Ich habe ihm die ICU (Anm.: das Intensivbett) verwehrt“, resümiert der Internist seine Gewissensbisse.
Am Abend trifft dann schließlich der nächste Covid-Notfall auf seiner Station ein - mit einer verbleibenden Sauerstoffsättigung von 50 Prozent. Das Rettungsprotokoll habe die Verzweiflung der Sanitäter erahnen lassen, schildert Hagen. Der Rettungswagen sei von mehreren Krankenhäusern „abgewimmelt“ worden, da alle Bettenplätze belegt gewesen seien.
Junge belegen Intensivstationen
Derlei Situationen werden sich in nächster Zeit wohl häufen. Ganz wesentlich mitverantwortlich dafür ist die zunehmende Verbreitung der britischen Mutation des Virus B.1.1.7., die zunehmend auch jüngere Menschen betrifft und auch bei ihnen für schwere Krankheitsverläufe sorgt. Da diese meist ein stärkeres Immunsystem aufweisen als ältere Personen, ist es wahrscheinlicher, dass sie auch die intensivmedizinische Behandlung überleben - dies hat aber auch den tragischen Effekt, dass die Intensivbetten dadurch länger belegt sind.
Man könne jedenfalls „nicht ruhig zusehen“, wie über weitere Öffnungsschritte debattiert wird und Corona-Skeptiker „durch Wien ziehen“, während „die Intensivversorgung zusammenbricht“, mahnt Hagen.