Anfänger fragt Profi: was macht der Wind im Wavesegel?

  • Hallo zusammen

    Ich lese seit geraumer Zeit in diesem Forum mit und habe schon einige interessante Diskussionen mit verfolgt. Kurz zu meiner Person: habe vor ca. 5 Jahren (mit einem Jahr Pause) das Surfen für mich wieder entdeckt. War zu den Anfangszeiten des Windsurfens mit auf dem Brett von meinem Vater unterwegs. Für die Urgesteine unter den Surfern: TenCate Windsurfer; irgendwas um die 60cm * 4m * 20KG ... Bin die letzten Sommer im Urlaub in Grund- und Aufbaukursen mit meiner Tochter zusammen auf der Nordsee gefahren. Ca. 40-50 Wasserstunden. Da wir einen ausreichend zum Windsurfen geeigneten See vor der Haustür haben, liebäugeln wir so langsam mit eigenem Material.

    Nein, es kommt jetzt nicht die Frage nach dem richtigen Board oder Segel.


    In der Diskussion mit meiner Tochter ging es um den Unterschied zwischen einem Wavesegel und einem Freeridesegel: bei exakt gleichen Bedingungen (selbes Board / Wind / Wasser) fahre ich bei gleicher Segelgröße mit einem Freeride / Race-Segel schneller als mit einem Wavesegel.


    Die Frage ist: was macht der Wind in einem Wavesegel wenn er resp. das Segel den Druck nicht in Geschwindigkeit umsetzt? Oder habe ich etwas komplett falsch verstanden?


    Im Voraus Danke für eure Antworten!


    Stephan

  • Hi und willkommen im Forum!



    Je flacher das Profil, desto weniger Druck erzeugt das Segel. Der Wind hat weniger Weg zurückzulegen.


    Wobei sich Freeride- und Wave- da überschneiden, es gibt schon unterschiedliche Profile je nach Marke.
    Entscheidend ist auch die jeweilige Windstärke, für die das Segel ausgelegt ist. Leichtwindsegel generieren
    bei weniger Wind einen Bauch (durch den Wind), Starkwindsegel erst später und sind daher dann besser
    beherrschbar durch weniger Druckpunktwanderung.


    Camber-Segel habe ich jetzt mal weggelassen.

  • Hmm ... mal sehen ob ich das richtig verstanden habe:

    Wavesegel generieren bei wenig Wind viel Bauch und damit mehr Druck (Lift?) um bei kleinen Segel-Größen (zugunsten von Manövrierbarkeit) und geringeren Geschwindigkeiten in den Wellen trotzdem genug Kraft für Beschleunigung und Sprung zu haben?


    Dagegen erzeugen die flachen Race-Segel bei gleichem Wind entsprechend mehr Geschwindigkeit für den gleichen Druck im Segel.


    Ähnlich der Auslegung von Tragflächen bei Flugzeugen: dickes Profil = viel Auftrieb bei wenig Geschwindigkeit; dünnes Profil = wenig Auftrieb bei hoher Geschwindigkeit.


    D.h die Wavesegel sind (darum auch immer kleiner) als Dickbaucher für viel "Auftrieb" bei geringeren Geschwindigkeiten ausgelegt. Ein komplett anderes Aerodynamisches Konzept als Race-Segel.


    In den Grenzbereichen großes Wavesegel und kleines Freeride- Race-Segel könnte es sich damit auch fast egalisieren.


    Noch eine Frage zu den "... unterschiedlichen Profilen ja Marke ...":

    Kannst Du die einschlägigen Marken mal charakterisieren?

  • Moin,


    nein alles durcheinander. Stark vereinfacht kann man das so erklären:


    Zug im Segel:

    - Wird größtenteils durch die Profiltiefe, die Länge und den Profilverlauf bestimmt.

    - Je mehr Zug, desto einfacher das passive angleiten (vereinfacht)

    - Nicht zu verwechseln mit Querkräften die kontraproduktiv sind


    Geschwindigkeit:

    - Aerodynamische Leistung des Profils

    - Wird durch den Profilverlauf und die stabilität des Profils bestimmt, je flacher das Profil, desto höher die Endgeschwindigkeit, je stabiler das Profil, desto leichter kann es auch bei mehr Wind noch kontrolliert werden, da es nur Vortrieb erzeugt und keine Querkräfte


    Ein Wavesegel ist vor nicht auf Geschwindigkeit ausgelegt, es hat die Stärken im Handling, bei Manövern, es kann verzögern auf der Welle (durch auffieren), ist kompakt und rotiert schnell.

    Das hat Auswirkungen auf den Profilverlauf, das Profil ist meist weniger tief, damit wird die Rotation verbessert, die Gabellängen sind kürzer, was auch das Handling verbessert, dafür leidet das Angleiten und die Effizienz des Profils.

    Zudem ist das Unterliek meist hochgezogen, damit man bei Manövern nicht das Unterliek ins Wasser bekommt, ein Freeridesegel hat ein weiter ausgestelltes Unterliek, das fördert Fahrleistungen und der Druckpunkt im Segel kann wieter unten liegen.


    Grüße

    teenie

  • Top! Vielen Dank!


    Zum Verständnis von Zug / Querkraft und Vortrieb:

    - Querkraft wirkt in Querrichtung des Boards und reißt (ohne Trapez) an meinen Armen und bringt das Brett nicht Vorwärts

    - Vortrieb wirkt in Längsrichtung des Boards, bringt Geschwindigkeit und kein Reißen in den Armen

    - und Zug?


    Grüße,


    Stephan

  • Ja genau so in etwa :thumbup:

    Mit Zug ist das Empfinden für dich als Surfer gemeint, in Wirklichkeit besteht Zug aus Vortrieb und Querkräften.


    Das führt auch dazu, das manches Segel trotz viel Zug nicht früher angleitet weil der Anteil an Querkräften zu groß ist.


    Grüße

    teenie

  • Ich habe lange den GPS-Rekord bei uns am See mit 63 km/h gehalten. Dabei habe ich es nicht einmal drauf angelegt und - ich war mit Wave-Material unterwegs. Ich war -als ich noch nicht im Club Ü100Kg war) auch immer mit kleinerem Material mindestens so gut am Gleiten wie die Surfer mit größerem Freeride- oder SL-Material.

    Damit will ich eigentlich nur sagen, dass bei unserem Hobbysurfer-Level das Material relativ egal ist. Profis mögen da was rauskitzeln, aber das wäre, für mich zumindest, fast schon wieder "Surfstress";). Aber Wave-Material ist halt robuster als z.B. ein reines Monofilmsegel. Da kann man als Anfänger auch mal "ungünstig reinfliegen" , ohne dass man gleich ein Loch im Segel hat.

  • wenn die Windgeschwindigkeit stimmt bekommt man jedes stabile Segel schnell.


    Der Unterschied liegt mehr in der Outline. Wave Segel sind hoch geschnitten mit kurzer Gabel und hoch gezogenem Unterliek. Das ist nachteilig beim Angleiten und gut fürs Handlung in Welle. Powerwave Segel haben ein Profil auch ohne Wind. Die anderen nehmen die Power und das Profil raus wenn man auf macht.

  • In der Diskussion mit meiner Tochter ging es um den Unterschied zwischen einem Wavesegel und einem Freeridesegel: bei exakt gleichen Bedingungen (selbes Board / Wind / Wasser) fahre ich bei gleicher Segelgröße mit einem Freeride / Race-Segel schneller als mit einem Wavesegel.

    Ich möchte bezweifeln, dass ein gleichgroßes Racesegel einen nennenswerten Geschwindigkitsvorteil gegenüber einem Wavesegel hat. Das Racesegel zieht seinen größten Vorteil daraus, dass man es 2 m² größer als ein Wavesegel fahren kann, ohne dass man Kontrollprobleme bekommt.


    Das kann ich auch hier am Spot oft genug beobachten. Wenn ich als Racer genau so groß fahre wie alle anderen auch, bin ich auch nicht wirklich schneller. Wenn die Waver aber 5m² Fahren und ich 7m², kann ich Kreise um die Fahren.


    In der Theorie kann der tiefere Bauch des Racesegels auch bei gleicher Fläche etwas mehr Vortrieb generieren. Das bedeutet aber auch immer höhere Widerstandswerte. Da kommt beim Racesegel dann das frei auswehende Top ins Spiel, Stichwort Randwirbelvermeidung. Das senkt dann den Widerstandswert wieder, allerdings wird dann im Top auch kein Vortrieb mehr erzeugt. Am Ende also in etwa ein Nullsummenspiel, was aber dazu führt dass der Druckpunkt im Racesegel deutlich tiefer liegt. Kombiniert mit vielen Latten, Cambern und hoher Vorspannung in der Folie wird das Profil auch noch sehr stabil, wodurch das Segel dann 2 m² größer gefahren werden kann.


    Gruß, Onno

    wissen ist macht. nicht wissen macht auch nichts.