RIP | Jack O'Neill | March 27, 1923 – June 2, 2017
RIP | Jack O'Neill | March 27, 1923 – June 2, 2017
-
-
RIP Jack!
Nun ist bei Jay,Mark und allen Anderen.
Mahalo
-
-
Ein Nachruf in der heutigen "NZZ am Sonntag":
ZitatNACHRUF
Für den ewigen Sommer
Jack O’Neill, der es leid war, beim Surfen zu frieren, einen Neopren-Anzug bastelte und damit einen Welterfolg landete, ist 94-jährig gestorben.
Von Daniel Meier
Als Vertreter für Feuerlöscher hat er gearbeitet, als Holzfäller, Fischer, Zeitungsverträger, Bademeister, Hafenarbeiter und natürlich auch als Taxifahrer. Zuletzt zog Jack O’Neill von einem Architekturbüro zum nächsten, um Metallkonstruktionen zu verkaufen. Auszuhalten war das nur, weil er die Mittagspause jeweils auf dem Surfbrett verbrachte. Doch nach ein, zwei Stunden im Meer war das Wasser überall. Nachmittags am Zeichentisch bei einem Kunden passierte es dann: Plötzlich tropfte, nein rann es aus seiner Nase auf die Entwürfe. «Einige Tage später verlor ich die Stelle. Da habe ich entschieden, ins Surf-Geschäft einzusteigen.»
Geboren wurde Jack O’Neill am 27. März 1923 weit weg vom Wasser, in Denver im US-Gliedstaat Colorado. Als er zwei Jahre alt war, zogen sie in die Nähe von Los Angeles. Jack hatte eine ältere und eine jüngere Schwester. Die Mutter schickte sie auf eine katholische Schule. Sie wohnten neben der Eisenbahn, als Bub spielte er auf Güterwagen, sein Schulweg führte über die Geleise. An der Pazifikküste blieb er für immer, mal im Norden, mal im Süden – ein grosser Unterschied, wie sich zeigen sollte.
Santa Monica und Venice Beach waren nah. Dort erwischte der Teenager seine erste Welle. Beim Bodysurfing schwimmt man ohne Brett hinaus und versucht, seinen Körper von einer Welle tragen zu lassen. Jener Moment, als es endlich klappte, als er auf der weissen Krone ritt und immer weiter ritt, war überwältigend. «Das ging mir nie mehr aus dem Kopf», sagte Jack O’Neill.
Im Zweiten Weltkrieg flog er als Pilot für die Marine. Er machte einen Abschluss in Wirtschaft und liess sich in San Francisco nieder. Die Gelegenheitsjobs wechselten rasch. Nach jenem Vorfall mit der tropfenden Nase kaufte sich O’Neill ganz viel Balsaholz, um Surfbretter zu bauen. 1952 eröffnete er einen Laden. Er nannte ihn: Surf Shop. Angeblich war es weltweit der erste.
In jener Zeit gibt es fast keine Wellenreiter. «Als ich anfing, war Surfen ein Schimpfwort. In der Stadt hielten sie uns für einen Haufen Herumtreiber und Faulenzer. Sie drohten, uns zu verhaften», erzählte er. Wenn schon, dann trifft man ein paar Surfer weiter südlich an. Auch O’Neill fährt an den Wochenenden nach Südkalifornien. Die Wellen sind einfach besser, und vor allem ist es weniger kalt.
Etwa 10 Grad, auch im Sommer allerhöchstens 15 Grad erreicht die Wassertemperatur. Nach einer halben Stunde spürt man weder Arme noch Beine. Auf dem Strand errichten sie Lagerfeuer aus Treibholz, um sich zwischendurch aufzuwärmen. Manche tränken alte Pullover in Öl, damit diese das Wasser abweisen. Zumindest ist das die Idee. Schnaps ist einen Versuch wert, aber er hilft auch nicht wirklich. Zweifellos ist die Kälte der grössere Feind als die Polizei.
Eine Lösung muss gefunden werden. O’Neill verklebt verschiedene Kunststoffe und bastelt eine Art Windel daraus. Die hält trocken und warm, erweist sich aber als brüchig. Schliesslich hört er von Neopren, dem idealen Material: leicht, flexibel und wasserbeständig. Auf frühen Fotos sieht man ihn in einem schwarzen, aufgeblähten Anzug, er gleicht dem Michelin-Männchen. Dass er ausgelacht wurde, war er gewohnt. Doch es funktioniert. In den anliegenden Anzügen wird das Wasser zwischen dem Neopren und der Haut durch den Körper aufgewärmt, es bildet sich eine Isolationsschicht.
O’Neill hat das Prinzip nicht erfunden. Andere entwickelten damals ähnliche Konzepte. Mit einem Rivalen stritt er lange vor Gericht. Doch O’Neill war es, der dem Neopren-Anzug zum Durchbruch verholfen hat – und indirekt wohl dem Surfen selbst. Denn erst seit es den wärmenden Dress gibt, kann man fast überall und zu jeder Jahreszeit ins Wasser. Oder wie O’Neill, der viel Talent für Marketing hatte, in einem Slogan zu den Anzügen schrieb: «Darin ist immer Sommer.» Dank dem Surfboom der sechziger Jahre wurde sein Name zur weltbekannten Marke.
Es war ein Familienunternehmen. Seine drei Töchter und drei Söhne arbeiteten mit. Sie zogen nach Süden, in Santa Cruz lebten sie in einem Strandhaus über dem Wasser. Auf dem Balkon stand eine Badewanne. Wer bei Sturm darin sass, wurde von der Gischt geduscht. O’Neils Sohn Pat erfand 1971 die Fussleine, mit der das Board ans Fussgelenk gebunden wird. Vater Jack nutzte sie. Nach ein paar Monaten schoss ihm bei einem Sturz das eigene Brett ins Gesicht, sein linkes Auge wurde verletzt. Seither trug er die Augenbinde, sie wurde zum Markenzeichen. 1973 starb seine Frau Marjorie bei einem Autounfall. Später heiratete O’Neill wieder und bekam noch einen Sohn, Jack junior.
Die Leitung der Firma übergab er 1985 an Pat. Jetzt konnte er wieder öfter aufs Wasser. Er gründete ein Hilfswerk. Kinder, die aus armen Verhältnissen stammten oder – wie er – Legasthenie hatten, durften auf seinem Katamaran hinausfahren. Der Ozean hat eine therapeutische Wirkung, das stand fest: «Wenn man alles vermasselt hat, springt man ins Meer – und alles ist wieder gut.»