Zusammenhang Segelstreckung und Geschwindigkeit

  • Hoi zäme
    Gemäss aerodynamischen Gesetzen haben grosse Streckungen (http://de.wikipedia.org/wiki/Streckung_%28Tragfl%C3%A4che%29)
    weniger Widerstand. Beispiele in der Praxis:
    - Hochleistungssegelflugzeuge
    - Heutige Gleitschirme haben deutlich mehr Streckung als früher
    - America's Cup, siehe Fotos: http://www.americascup.com/en/photos


    Warum werden die aktuellen geschwindigkeitsorientierten Surfsegel mit kürzeren Masten gegenüber früher gefahren? Nachfolgend ein Beispiel von North, denke aber das ist bei anderen Marken ähnlich.
    North Spectro 1998, 7 m2: Vorliekslänge 507 cm.
    North S_Type 2013, 7,3 m2: Vorliekslänge 476 cm


    Sportliche Grüsse Markus

  • Ich vermute mal, dass das an der Hebelwirkung liegt. Bei Schiffen und Flugzeugen gibt es eine starre Verbindung zum Rumpf, bei Windsurfen muss stellt der Surfer diese dar. Davon ab sind Segel mit einer extremen aspect-ratio auch wesentlich schwieriger zu fahren, da die Strömung leichter abreißen kann.

  • Bei großen Flügelstreckungen denke ich an 16 - 20 - 30, die Streckungen der angefürten Segel liegen bei
    (bxb/F) 3,67 bzw 3,10


    Am einfachsten kann man das bei Finnen (nicht schon wieder!!!) erkennen. Nimm mal eine Formular-Finne mit ca. 70 cm Tiefgang, Streckung ca. 7 und eine Wavefinne mit 22 cm Tiefgang, Streckung ca. 2.


    Formula-Finne strömungstechnisch sehr gut entwickelt, super Höhelaufeigenschaften, starke Aufkenterneigung
    Wavefinne praktisch keine Aufkentertendenz, miese Höhelaufeigenschaften


    Steckung 2 ist eben grottenschlecht, der Anteil des Randwirbels (induzierter Widerstand) ist dominierend
    Streckung 7 ist schon ganz gut, mehr ist zur Zeit nicht sinnvoll aus strukturellen Gründen, Bruchgefahr


    Damit Surfsegel den Auftriebsmittelpunkt möglichst tief haben, wird hier eine völlig andere Strömungsverteilung im Segel angewendet, nennt man "Glocken-Auftriebsverteilung" siehe auch "Horten Nurflügel". Nur die unteren 2,5 m sind vortriebswirksam, der Rest, der oben mit 20-30Grad Twist locker im Wind rumschlabbert soll nur den Randwirbel komplett verhindern und so die Cw-Bilanz verbessern.
    Normalerweise verwendet man eine elliptische oder überelliptische Auftriebsverteilung an Tragflügeln, ist aber bei Steckung 3,5 nicht sehr sinnvoll.

  • gleichzeitig mit den kürzeren Vorliekslängen kamen:
    - längere Segelsehne im Bereich über der Gabel (für gutes Angleiten/Durchgleiten)
    - deutlich mehr Loose Leech (für große Windrange; noch längeres Top würde wahrscheinlich wenig bringen, weht ohnehin nach Lee aus)
    - Segelbauch mehr unten konzentriert (für tieferen Kraftschwerpunkt und besseren Hebel, s.o.).


    ohh, hat sich überlappt

  • Steckung 2 ist eben grottenschlecht, der Anteil des Randwirbels (induzierter Widerstand) ist dominierend


    Toller Beitrag. Ok, eine Wavefinne soll ja auch nicht in erster Linie schnell sein. Interessant wäre eine Untersuchung der ( bremsenden ) Randwirbel beim Vergleich der MUF X-fins zu den üblichen flossenförmigen Wavefinnen.


    Meine Erfahrung ist im Fahrvergleich, daß die klassische Finnenform mir eine Kontrolle auf der Finne gibt. Man spürt vorher, wann man den Seitendruck übertrieben hat. Bei dem X-fin Design gibt es nur ein Grip oder kein Grip ohne Vorwarnung.

  • ..Nur die unteren 2,5 m sind vortriebswirksam, der Rest, der oben mit 20-30Grad Twist locker im Wind rumschlabbert soll nur den Randwirbel komplett verhindern und so die Cw-Bilanz verbessern..


    Hallo Doc,


    das ist doch ein ganz entscheidender Punkt für die Segelabstufung.
    Ich kann es schlecht messen, aber geschätzt wüde ich sagen mein 5,4er Duke hat mehr vortriebswirksame Fläche als mein 6,0er X-Type
    und nach meinen Erfahrungen haben die beiden Segel auch etwa die gleich Windrange.
    Das X-Type läßt sich auf Grund des tieferen Druckpunktes in Böen besser kontrollieren, während das Duke handlingvorteile in Manövern hat.
    Wenn das so ist, wäre es natürlich gut, wenn die Hersteller die wirksame Fläche mit rausgeben würden.


    Gruß Andi


    P.S. Ich will ja nichts beschreien, aber so ein bisschen erinnert mich das Loose Leech an Wolfgangs Konkaven. :D

  • eine in sic verdrehte tragfläche hat nix mit knkaven zu tun! es verändert nur die auftribsverteilung.. und der obere teil ist auch sicherlich nicht wirkungslos sondern eben aufgrund der veränderten Profils und anstellwinkel nur nicht so "effektiv" wie die untere fläche ich würde grob schätzen das 1/3 der segelfläche für 2/3 des vortriebs sorgen...

  • Der obere Teil des Segels ist fast total wirkungslos bezogen auf den Vortrieb!


    Schau doch mal genau hin: Das Profil oben ist absolut gerade und der Anströmwinkel ist Null (kannst du mit nem Streamer testen), es gibt keine Druckdifferenz zwischen luv und lee da oben, das Top schwingt im Takt der Wellen locker nach luv und nach lee. Bei einer Druckdifferenz würde das Segeltuch eine genau definierte Stellung einnehmen, selbst minimale Druckdifferenzen reichen da aus, hauche mal auf eine dünne Plastikfolie, sie wird sich sofort bewegen vom Überdruck zum Unterdruck hin.


    Profil gerade Platte und Anstellwinkel null gibt Ca null. Ca null bedeutet keine Druckdifferenzen. Keine Druckdifferenzen bedeutet keinen Randwirbel, induzierter Widerstand also null und das bei Streckung 3,5


    Nachteil: man schleppt 1,5 m² Segeltuch mit rum, das nicht vortriebswirksam ist aber leider selbst auch etliches an Widerstand bringt, aber eben viel, viel weniger Widerstand wie ein ausgeprägter Randwirbel.


    Hinweis: dieser loose leech Schnitt ist nicht zur Erzielung einer Glockenauftriebsverteilung entwickelt worden, er ist durch einen Schnittfehler der Rushwind-Racesegel Anfang der 90er Jahre entstanden. Zufälligerweise waren diese Segel viel schneller als alles andere und dann haben eben alle diesen Schnitt mit loose leech nachgemacht. Also diese Entwicklung ist nicht durch theoretische Überlegungen entstanden, sondern durch schlampiges Arbeiten


    meint


    Dr. Spin Out

  • Ja, das Thema hatten wir hier auch schon ein paar mal.


    Ich würde auch nicht sagen , dass der oberer Tal eines gut designten (heute fast alle) und gut getrimmten (!) Racesegels keinen Beitrag zum Auftrieb / Vortrieb bringt. Wenn es wirklich so frei rumschlabbert wie von Dr. Spinout beschrieben hast du es definitv mit der Vorliekspannung übertrieben. Ich denke das Geheimnis liegt hier in der Gesamtabstimmung von Mast, Segelschnitt und Vorliek. bzw Loose leech Spannung. Ein gut funktionierendes Racesegel zeichnet sich eben dadurch aus, dass es kontrolliert (vornehmlich in Böen) oben auf macht und Dampf ablässt. wenn das Segel passt sollte nichts auswehen und tut es zumind bei meinen Segeln nicht. Übrigens kann man das sehr gut bei den Lüderitz Videos bei AA Segel sehen, das Achterliek steht dort meistens wie 'ne Eins !


    Dennoch ist natürlich richtig, dass der Wirkungsgrad des oberen Bereich aufgrund des flachen Profils deutlch gegenüber dem unteren Teil des Segel reduziert ist. Schon allein aus Gründen der Hebelwirkung darf der Gesamt-Druckpunkt eines Segel nicht deutlich über dem Gabelbaum liegen sost wird das Segel schwer fahrbar.


    Provokante Frage: Warum eigentlich nicht gleich in eine ganz andere Richtugn gehen und nur noch mit 3m langen Vorlieks fahren ? hat das mal einer probiert und dann noch ein schönes winglet ans Topp :)....

  • Liebe Fachleute,


    Trotz aller aerodynamischen Detailinfos (ich denke, dass diese auch auf die sehr schnellen Katamarane des Americascup zutreffen) ist mir nach wie vor unklar, warum die Streckung bei den Surfsegeln verkleinert, jedoch bei den anderen Flügeln oder Segeln vergrössert, oder mindestens gross bleibt.


    Könnte es nicht sein, dass die Verringerung der Streckung der Surfsegel nur aus Handlingsgründen gemacht wurde? In der Webung kann man natürlich nicht schreiben, dass dadurch Geschwindigkeit eingebüsst wird.


    Sportliche Grüsse Markus

  • also ich weiß ja nicht wie du dein segel hällst aber bei mir hat auch der obere teil noch nen deutlichten anstellwinkel... mir ist jedenfalls kein sege bekannt das oben um fast 90° auftwistet... klar da oben ist kaum noch profil aber du willst mir doch nicht wirklich erzählen das die 5,5qm bei nem 8qm segel die oberhalb vom baum liegen komplett weggedreht sind und keinen vortrib mehr erzeugen.. also meine segel haben keinen so brutalen twist das dies der fall wäre.. in jedem fall nimmt der vortrieb nach oben hin immer weiter ab aber Null wird er wohl nie werden.


    Ich denke die segel werden deswegen Kürzem und breiter weil unten das hebelverhältniss besser ist.. man kann also unten mehr bauch und vortrieb reinbauen bei gleichbleibender oder gar geringerer segelkraft.
    Grundsätzlich hast du natürlich recht das ein Profil mir großer streckung einen höhere leistung erzielen kann. aber an so einem segel haben wir auch keine Laminare strömung sondern schon vom mast an völlige turbulenz! das ist aber auch ganz gut so weil die Strömung dem Profil und somit auch der großen Profiltiefe besser folgen kann (daher ist es strömungstechisch dann auch egal ob da Latten oder Nähte im weg stehen das merkt die strömung gar nicht mehr!)


    Weiterhin hat ein Kurzes segel natürlich auch handling vorteile! und ein besseres Handling und damit mehr kontrolle bedeutet im rückschluss auch mehr speed...ein Hochgezüchtetes 8m hohes super segel bringt dir nix wenn du es nicht kontrollieren kannst...

  • also ich weiß ja nicht wie du dein segel hällst aber bei mir hat auch der obere teil noch nen deutlichten anstellwinkel... mir ist jedenfalls kein sege bekannt das oben um fast 90° auftwistet...


    Willst du damit sagen, daß dein Anstellwinkel im Bereich der Gabel 90 Grad zum scheinbaren Wind ist und dann mit Twist 90 Grad oben Null??? :confused:


    Ich denke, der Anstellwinkel unten in der "aktiven" Sektion dürfte 10 Grad nicht deutlich überschreiten, den Winddreher des scheinbaren Windes nach oben hin setze mal mit 5 Grad an. Wenn das Top also ca. 15 Grad aufmacht ist es bereits bei Null. Das sind absolut realistische Werte. Kann man auch sehr schön bei Fotos/Videos direkt vom Hubi von oben sehen.


    Sicherlich war der loose leech-Anteil bei den Segeln vor 3-4 Jahren noch deutlich größer, bei den Formular-Segeln war es dann schon ganz heftig am Flattern. Mittlerweile reduziert man den loose leech-Anteil um mehr aktive Fläche rauszukitzeln.


    ... aber du willst mir doch nicht wirklich erzählen das die 5,5qm bei nem 8qm segel die oberhalb vom baum liegen komplett weggedreht sind und keinen vortrib mehr erzeugen.. ..


    Ich habe von ca. 1,5 m² gesprochen, die nicht vortriebswirksam sind, wieso phantasierst du da von 5,5 m²


    Tatsächlich sieht man aber oft bei Slalomsegeln unter Vollast eine dicke Falte vom Schothorn diagonal nach oben zur Mastmitte hin. Der Teil oberhalb dieser Falte kippt regelrecht nach lee weg und reduziert den Anstellwinkel deutlich. Bei extrem hohen Drücken im Segel schließt das Top wieder durch die erhöhte Mastdurchbiegung nach lee, der Twist wandert runter zur 2. oder 3. Latte von oben und das Handling wird sehr toplastig.


    Nochwas: orientiere dich als "Normalsurfer" nicht an dem Segelstand der Speedprofis wie AA. Der trimmt sein Vorliek so, daß unter seiner Volllast das Segel oben gerade noch aufmacht, man sieht dann von hinten einen fast geraden Achterlieksverlauf.


    Ideal wäre es, wenn jetzt das oberste Feld gerade noch locker schwingen kann


    meint


    Dr. Spin Out

  • The-BlackJack: deine Ansicht mit dem Handlingsvorteil bei kurzen Segel stimme ich zu. Auch wenn du anfangs maßlos übertrieben hast. Das Segeltop dreht sich nicht um 90° weg, auch nicht fast. Und, du hast es wahrscheinlich noch nicht erlebt:), aber je schneller man fährt, desto dichter holt man das Segel dicht. Der scheinbare Wind kommt immer weiter von vorne, je schneller man fährt(gähn). Ich behaupte mal, das Segeltop ist bei voller Geschwindigkeit auch bei Raumwind-Kurs nahezu parallel zu Brett-Längsachse. Selbst die Gabel ist fast parallel. Ich denke, nein, ich weiß, jeder hier weiß, was "Close the gap" bedeutet. Von daher sieht man schon, dass der Segel-Anstellwinkel sehr gering bei hoher Geschwindigkeit ist. Wenn du völlige Turbulenzen schon am Mast hast, wirst du einen Schleudersturz haben. Gerade du müsstest doch als selbstbezeichnender Aerodynamik-Wissender, wissen, dass der meiste Vortrieb vom Segel auf der Leeseite erzeugt wird. Dann schau dir mal da die Masttasche an: ich finde die Stromlinienform zum Schothorn äußerst harmonisch. Wirbel verursachen da Schleudersturz zur Luvseite. Das passiert vor allem Anfänger, die zu viel Bauch im Segel haben.
    Aber wie gesagt, kurze Segel haben nicht so große Hebelkräfte. Da darf in 5m Höhe gar nicht so viel Kraft wirken. Man kann das kaum noch halten. Alte Segel dagegen waren sehr lang und nicht so breit. Ich erinnere mich noch sehr gut an mein 4,9er Neil Pryde RAF Speed. Mastlänge 4,6m , Gabel 1,40 oder so ähnlich. Ich will damit nur das Schnittkonzept darstellen. Das Dingen war aber Höllenschnell. Die erreichten die Kontrolle dadurch, dass der obere Teil auch sehr schmal ist.


    Lieber Alex.... bitte, bitte gib dir ein wenig Mühe bei der Rechtschreibung. Es muss ja nicht alles 100%ig sein, aber es liest sich einfach leichter und es zeigt Respekt gegenüber deinen Lesern. Ist nur eine Bitte, der du nicht nachkommen musst. Du kannst dir den Text vor dem Abschicken ja noch mal durchlesen. Und ein paar Minuten nach dem Abschicken kann man den Text auch noch ändern.
    Und für den Fall, dass du es falsch verstanden hast, entschuldige ich mich im voraus.


    HL

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  • Nochwas: orientiere dich als "Normalsurfer" nicht an dem Segelstand der Speedprofis wie AA. Der trimmt sein Vorliek so, daß unter seiner Volllast das Segel oben gerade noch aufmacht, man sieht dann von hinten einen fast geraden Achterlieksverlauf.


    In Lüderitz geht´s auf 140° nach der Kurve. So wie der AA mit seiner Gewichtsweste und seinen guten Hebelverhältnissen an der Gabel zieht gehe ich mal fest davon aus, daß im oberen Drittel noch ordentlich Druck ist. Das Setup ist ja auch nicht zum Kilometerfressen gemacht, sondern einmal tief Luft geholt und durch.

  • In Lüderitz geht´s auf 140° nach der Kurve. So wie der AA mit seiner Gewichtsweste und seinen guten Hebelverhältnissen an der Gabel zieht gehe ich mal fest davon aus, daß im oberen Drittel noch ordentlich Druck ist. Das Setup ist ja auch nicht zum Kilometerfressen gemacht, sondern einmal tief Luft geholt und durch.


    :thumbs: 100% Zustimmung. Bei AA möchte ich nicht Gabel und nicht Finne sein! Und Segel schon mal gar nicht.


  • Ich glaube nicht, dass AA oder andere Speedprofis signifikant anders trimmen als der 'Normalsurfer' seine Racesegel. Alles was ich diesbzgl. beobachten konnte ist, dass es einen generellen Trend gibt die Segel eher mit etwas mehr Vorliek zu trimmen , manche bevorzugen auch etwas weichere Masten als nominell angegeben (z.B 400 mit Extender, statt 430 Mast oder RDM statt SDM Masten). Generell trimmen aber gerade diese Herschaften die Segel um das Optimum heraus zu holen. Gerade deswegen wird keinesfalls mit dem loose leech übertrieben. und ich denke das schön gerade und die meiste Zeit geschlossene Achterliek auf den Videos ist ein Indiz dafür. (und übrigens sieht es bei meinen Evo IV voll angepowert auch nicht anders aus, seit ich den richtigen Mast und Trimm gefunden habe:)).


    Bleibt die Frage nach der optimalen Outline? haben wir die oder glaubt man noch an signifikantes Verbesserungspotenzial ?